Wie steht es um Apples Nachhaltigkeit? Ein Blick hinter die Fassaden des Tech-Riesen

Wie steht es um Apples Nachhaltigkeit? Ein Blick hinter die Fassaden des Tech-Riesen

Ist Apple wirklich nachhaltig? Das musst du wissen, bevor du das neue iPhone kaufst

Theresa Bender

Theresa Bender

Sep 21, 2021

·

10

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Apple und die Umwelt: Wo fangen wir bloß an? Apple verbessert... Apple recycelt... Apple nutzt erneuerbare Energien... Seit Jahren erzählt der Tech-Gigant allen, dass er grüner und nachhaltiger ist als seine Konkurrenten. Doch man muss sich fragen: Ist Apple wirklich so umweltfreundlich, wie es behauptet? In diesem September war es wieder soweit: Das neueste iPhone 13 kam in die Läden - und landet bald in den Taschen der Verbraucher. Aber bevor du dich dem Apple-Rausch hingibst - oder dich beeilst, die steigenden Apple-Aktien zu kaufen -, lies diesen Artikel, in dem wir (einige) von Apples umweltfreundlichen Praktiken unter die Lupe nehmen und einige nicht ganz so grüne Geheimnisse aufdecken. 

Der Speed Read:

1. Apple legt sehr viel Wert darauf, sich als nachhaltig und klimafreundlich zu präsentieren, und macht das aus der Marken- und Marketingperspektive auch sehr gut. Allerdings gibt es einige Zweifel und Kritikpunkte an den Praktiken des Unternehmens, die die Frage aufwerfen, ob Apple wirklich für die Umwelt handelt - oder doch eher für Profit.

2. Die Entscheidung von Apple, seinen neuen iPhones keine USB-Netzteile und Kopfhörer mehr beizulegen, hat zu weniger transportbedingten Emissionen und weniger Verpackungsmüll geführt. Aber es hat auch dazu geführt, dass die Bruttogewinnspanne des Unternehmens um 1 % gestiegen ist, während Apple seine Produkte für die Verbraucher teurer und nicht billiger gemacht hat.

3. Apple bringt jedes Jahr neue Produkte auf den Markt und ermutigt damit die Kunden, jedes Jahr auf das neuere Produkt aufzurüsten (siehe "Batterygate" unten). Damit fördert Apple ein eher ungesundes Konsumverhalten, mehr Emissionen und eine "Wegwerfgesellschaft".

Das Markenimage von Apple: "Nachhaltigkeit auf ganzer Linie!"

Man mag es kaum glauben, aber das iPhone gibt es nun schon seit fast 15 Jahren. Das erste iPhone kam 2007 auf den Markt. Im Jahr 2021 ist Apple einer der größten Smartphone-Hersteller der Welt mit einem Marktanteil von 15 % im zweiten Quartal 2021.

Mit einem so großen Marktanteil geht natürlich auch Verantwortung einher. Verantwortung gegenüber Verbrauchern, Lieferanten - und auch gegenüber unserer Umwelt. Tim Cook, der CEO von Apple, versprach 2020 auf Twitter, dass "bis 2030 das gesamte Geschäft von Apple klimaneutral sein wird". Der Planet, sagte er, kann nicht warten.  

Eine mutige Aussage für einen Tech-Giganten. Aber reichen Apples Nachhaltigkeitsmaßnahmen aus, um den Klimawandel einzudämmen? Schauen wir uns das mal genauer an.

Eine der meistdiskutierten Entscheidungen von Apple auf dem Weg zur Klimaneutralität ist der Verzicht auf die USB-Stromadapter und Kopfhörer, die mit den neuen iPhones geliefert werden.

Für den Fall, dass du es vergessen hast, hier eine kleine Auffrischung:

Ende 2020 kündigte Apple an, dass Kunden beim Erwerb eines iPhones in Zukunft keinen Ladeadapter oder Kopfhörer erhalten werden, da "jeder diese Dinge sowieso zu Hause hat".

Dieser Schritt hat einige Nutzerinnen und Nutzer verärgert - und das ist verständlich angesichts des stolzen Preises von 1.149 € für das neue iPhone 13 Pro, das letzte Woche vorgestellt wurde.

Laut Apple wurde diese Entscheidung jedoch aus Gründen der Nachhaltigkeit getroffen: Durch den Verzicht auf die zusätzlichen Gadgets, d. h. den Adapter und die Kopfhörer, kann extrem viel Verpackungsmaterial eingespart werden, wodurch die Verpackung kleiner und leichter wird und mehr iPhones in einen Versandcontainer passen, so der Tech-Riese. Laut Apples Website können mit der neuen Verpackung 70 % mehr iPhones in einem Container verschickt werden, was "dazu beiträgt, [Apples] CO2-Fußabdruck zu verringern".  Außerdem werden bei der Herstellung von Netzteilen große Mengen an Materialien wie Kunststoff, Kupfer und Zink verbraucht. Durch den standardmäßigen Verzicht auf Stromadapter konnte Apple nach eigenen Angaben 8,61 Lakh Tonnen Metall einsparen.

Bis jetzt scheint Apple wirklich nachhaltig zu sein, oder?

Nun, irgendwie schon: Natürlich ist es ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, weniger Container um die halbe Welt zu schicken.

Aber bedeuten 70% weniger Verpackung und Transport nicht auch 70% weniger Transportkosten für Apple? Zusätzlich zu den Kosten, die das Unternehmen ohnehin spart, weil es nicht mehr so viele Adapter und Kopfhörer produzieren muss? 🧐

Und bedeuten weniger Kosten nicht auch höhere Gewinnspannen für das Milliardenunternehmen?

Ja, so ist es. Denn nichts von den Kostensenkungen, die Apple durch die neue Verpackung und den Verzicht auf Zubehör erzielt hat, ist beim Verbraucher angekommen. Ganz im Gegenteil: Die iPhone-Preise haben sich von 2010 bis 2020 fast verdoppelt und die neu eingeführten iPhones 13 haben die alten Preise noch einmal übertroffen.

How sustainable is Apple if their products are getting more expensive while the company is saving costs?
IMORE.COM

Laut Gene Munster, Managing Partner bei der Risikokapitalfirma Loup Ventures, hat die Abschaffung der Kopfhörer und des Ladegeräts dazu beigetragen, die Bruttogewinnspanne von Apple um etwas mehr als 1 % zu erhöhen, was eine ganze Menge ist.

Hört sich das für dich immer noch nach reinen Nachhaltigkeitsabsichten von Apple an?

Für das Land Brasilien ganz sicher nicht. Nachdem Apple angefangen hatte, iPhones ohne Ladekabel zu verkaufen, wurde dem Unternehmen eine Geldstrafe von 10,5 Millionen R$ (das sind etwa 1,7 Millionen Euro) auferlegt.

Verglichen mit den 22 Milliarden Dollar Gewinn, die Apple allein im letzten Quartal (Q3 2021) gemacht hat, klingt das jedoch nicht nach einem großen Problem für das Unternehmen. 😅

Daraus können wir schließen: In der Vergangenheit gab es bereits Beispiele dafür, dass Apples Selbstdarstellung nicht ganz mit der Realität übereinstimmte, was erklärt, warum einige Menschen Apples Nachhaltigkeit in Frage gestellt haben.

Natürlich ist das bis zu einem gewissen Grad eine Vermutung und einige Apple-Fans werden sicherlich an der Idee festhalten, dass Apple wirklich nur aus dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit heraus gehandelt hat, aber dennoch ist klar, dass wir als Kunden relativ wenig von den Vorteilen mitbekommen, die Apple durch die Neuerungen erzielt hat.

Das Produkt: "Kauf das neue iPhone und kauf es jetzt!"

Jedes Produkt auf der Welt verursacht CO2e-Emissionen und das iPhone ist da keine Ausnahme. Die Herstellung, der Transport, der tägliche Gebrauch und, ja, auch das Recycling unserer geliebten Smartphones führen zu Emissionen, ob es dir gefällt oder nicht.

Und das ist normal und akzeptabel - bis zu einem gewissen Grad. Aber wenn man sich die Herstellung und den Umgang mit den iPhones bei Apple ansieht, stellen sich ein paar Fragen.

Erstens: Wenn du dir die Emissionen ansiehst, die durch iPhones verursacht werden, fällt dir sofort auf, dass der Großteil dieser Emissionen durch die Produktion der Smartphones verursacht wird. Beim iPhone 12 zum Beispiel sind 83% der Emissionen mit der Produktion verbunden; beim iPhone 13 sind es 81%, die während der Produktion entstehen. Das liegt daran, dass die Nutzung von Smartphones nicht so viel Energie kostet und die Energieeffizienz in den letzten Jahren stark verbessert wurde. Es sind also hauptsächlich die produktionsbedingten Emissionen, die hier die Hauptschuldigen sind.

Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Verbraucher dazu ermutigt werden, Apple-Produkte so lange wie möglich zu nutzen - damit sich die Emissionen auf möglichst viele Jahre " verteilen" können. Aber Apple bringt jedes Jahr ein neues Produkt und ein neues Upgrade auf den Markt. Wenn wir jedes Jahr ein neues iPhone kaufen, sind wir indirekt für mehr als 80 % der Gesamtemissionen der neuen Geräte verantwortlich, die wir eigentlich gar nicht brauchen, weil wir als Verbraucher verlangen, dass sie überhaupt erst produziert werden. Wenn wir unsere alten iPhones weiter benutzen oder ein gebrauchtes Gerät kaufen, sind wir es nicht.

Und während das iPhone 13 zum Beispiel im Durchschnitt "nur" 73 kg CO2e-Emissionen pro Gerät verursacht (die Menge der Emissionen hängt von der Größe des Speichers ab), steigt diese Menge an Emissionen schnell auf 18.250.000 Tonnen CO2e in nur einem einzigen Jahr, wenn du an Apples Pläne denkst, im Jahr 2021 rund 250 Millionen iPhones zu verkaufen. (Das entspricht den Emissionen von 10.147.000 Hin- und Rückflügen von Berlin nach New York oder mehr als 182 Millionen Stunden Flugzeit. Man müsste also ca. 739 877 799 € zahlen, um die Emissionen auszugleichen (wir haben für unsere Berechnung Atmosfair benutzt) 😱.)

Lange Rede, kurzer Sinn: Apple kann sich nicht auf Nachhaltigkeit berufen und gleichzeitig den Massenkonsum fördern.

Dann gibt es noch einen weiteren fragwürdigen Punkt: Apple legt großen Wert auf das Recycling, die Steigerung der Energieeffizienz seiner Produkte und den Einsatz neuer Technologien - alles Dinge, die laut Umweltbericht zu weniger Emissionen führen sollten.

Doch wenn wir uns die Emissionen pro iPhone-Generation ansehen, stellen wir fest, dass der Trend eher nach oben als nach unten geht. Auf der einen Seite heißt es also: "Wir tun X und konzentrieren uns auf Nachhaltigkeit", aber auf der anderen Seite heißt es: "Aber irgendwie nehmen die Emissionen unserer Produkte überhaupt nicht ab".

iPhone 13 carbon emissions breakdown
COMPARE AND RECYCLE

Wie bereits erwähnt, ist es aufgrund der hohen Emissionen bei der Produktion von iPhones sehr wichtig, dass wir sie möglichst lange nutzen. In der Realität sieht es jedoch anders aus, und daran ist Apple mitschuldig.

Durch die schicken (und teuren) Apple Events, die jeden Herbst stattfinden, um das neue iPhone vorzustellen, erzeugt das Unternehmen immer wieder einen Hype und animiert die Menschen zum Kauf. Außerdem werden die Produkte auf mysteriöse Weise alle 12 Monate "viel, viel besser" -- und zwar so viel besser, dass Apple uns jedes Jahr sagt, dass wir sie genau jetztbrauchen. 😅

Die von Apple forcierte "Jedes Jahr ein neues kaufen"-Mentalität funktioniert, wie eine Studie in Großbritannien gezeigt hat: 40 % der Smartphone-Besitzer/innen zwischen 18 und 24 Jahren kaufen alle ein bis zwei Jahre ein neues Smartphone und 45 % der Smartphone-Nutzer/innen in Großbritannien würden lieber ein neues Smartphone kaufen als ihr altes zu reparieren.

Und wieder stellen wir uns die Frage: Kann es für ein Unternehmen, das von sich behauptet, "klimafreundlich" zu sein, wirklich noch nachhaltig sein, die Menschen dazu zu drängen, alle 12 Monate ein neues Smartphone zu kaufen, obwohl ihr altes noch funktioniert und sich ungenutzte Technik auf der ganzen Welt anhäuft?

Gerüchteküche: “Batterygate”

Du hast wahrscheinlich schon von dem Gerücht gehört, dass Apple absichtlich alte iPhone-Modelle mit iOS-Updates verlangsamt und den Akku beschädigt, um Kunden zum Kauf eines neueren Modells zu bewegen. Dieses Gerücht und der darauf folgende Rechtsstreit werden auch "Batterygate" genannt. Und ja, laut Apple stimmt es, dass ältere Modelle und ihre Akkus von den neuen Updates beeinflusst werden. Die Verlangsamung der iPhones geschah eigentlich nur "in dem Versuch, die Akkulaufzeit zu verlängern", führte aber auch dazu, dass die Verbraucher stattdessen neuere, teurere Modelle kauften, da die alten Telefone plötzlich sehr langsam waren. Obwohl diese Akku-Management-Praxis vielleicht eine gute Absicht war, musste Apple eine saftige Summe von 113 Millionen Dollar zahlen, um die "Batterygate"-Untersuchung in den USA beizulegen. Und nur damit du es weißt: Apple verlangsamt iPhones immer noch, um ihre Lebensdauer zu verlängern. Das Ganze findet jetzt offiziell statt und nennt sich "Leistungsmanagement". Wenn du also das Gefühl hast, dass dein iPhone XS, XR, 8 oder 7 langsamer wird, hast du wahrscheinlich recht.

Fazit: Apple sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht

Ist Apple also nachhaltig?

Natürlich hat das Unternehmen in den letzten Jahren ordentliche Anstrengungen unternommen, um CO2-neutral zu werden. Diese Bemühungen haben sich definitiv positiv auf die Umwelt, aber auch auf Apples Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung ausgewirkt.

Ob es verwerflich ist, dass Apple nur über Erstere berichtet, kann hier in Frage gestellt werden und es liegt an jedem Einzelnen, diese Frage zu beantworten.

Allerdings muss man sagen, dass Apples Geschäftsmodell, jedes Jahr neue Produkte auf den Markt zu bringen und sie als "bahnbrechend" zu vermarkten, nicht gerade einen nachhaltigen Konsum fördert. Ob wir es nun zugeben wollen oder nicht, aber unsere Lieblingsmarke geht immer mehr zu Produkten über, die nicht erneuerbar sind und nicht gewartet werden können, und wird so zum Zara der Smartphones.

Für Apple, genau wie für den Rest von uns, ist es noch ein langer Weg, bis wir wirklich zu Klimahelden werden.

YES